Mein Aufreger des Tages, und damit bin ich ganz klar nicht alleine. Die Stadt Darmstadt hat eine Allgemeinverfügung (AV) erlassen, nach der es Fans von Eintracht Frankfurt verboten ist, das „erweitere Innenstadtgebiet“ von Darmstadt zu betreten. Dieses gilt ab 19.00 am Freitag bis Sonntag um 7.00 Uhr (also ganze 36 Stunden). Das genaue Gebiet ist (mir) noch nicht bekannt, allerdings soll es wohl vom Hauptbahnhof bis zum Bölle reichen. Hintergrund ist, dass bei dem Derby aufgrund der Vorfälle beim Hinspiel keine Gästefans im Darmstäder Stadion zugelassen wurden. Hinter dieser Strafe steckt die DFL. Nun wollten sich allerdings nicht alle Fans der Eintracht die ca. 15 Minütige Auswärtsfahrt kaputt machen lassen. Die Bild-Zeitung setzte bei einem wohl völlig erfunden Artikel über einen geplanten Sternmarsch und Demonstration eine Zahl von 8.000 in die Welt (worunter angeblich 200 gewaltbereite Fans sein sollten). In den letzten Tagen wuchs diese Zahl immer weiter und irgendwann wurde von bis 12.000 Fans gemunkelt.
Meiner Meinung nach total übertrieben und auch nicht gerade glaubwürdig. Das findet im Übrigen sogar die Polizei, die sonst scheinbar keinen großen Durchblick hat (dazu später mehr). Anscheinend haben die Verantwortlichen (hier mal ein „Hallo“ an den Ordnungsdezernenten Rafael Reißer, natürlich CDU, und an OB Partsch von den Grünen) in Darmstadt und bei der Polizei Südhessen aber trotzdem genug Bammel, um so eine (meines Erachtens) rechtswidrige Scheiße abzuziehen. Im folgenden ein paar Punkte dazu.
Die Kollektivstrafe des Zuschauerauschluss an sich ist schon ziemlich Kacke, da diese, wie der Name schon sagt, eben nicht die Täter eines Vergehens bestraft, sondern pauschal alle. Leider hat der Verein Eintracht Frankfurt gegen das Urteil nicht einmal Berufung eingelegt, deshalb ist das Thema eigentlich seit längerem abgehakt. Im aktuellen Abstiegskampf und bei einem Derby ist die Strafe natürlich doppelt bitter.
Die Allgemeinverfügung setzt dem ganzen aber echt die Krone auf. Jeder Fan von Eintracht Frankfurt wird pauschal als Gewalttäter angesehen. Alter, was ist euer Problem? Lustig auch, dass das für alle gilt. D.h. Fans der SGE, die in Darmstadt wohnen, dürfen eigentlich nicht mehr aus ihrem Haus. Halt, Moment mal, woran erkennt man eigentlich so einen Fan? Und reicht eventuell schon eine Sympathie? Fragen über Fragen. Wenigstens kann uns die Polizei erklären, woran man einen Fan von Frankfurt erkennt, nämlich „am Äußeren und am Verhalten“. Na dann ist alles klar. Außerdem seien „Grenzfälle leicht vorstellbar, etwa arglose Fans, die bereit sind, ihre Schals in die Tasche zu stecken. Die Kollegen vor Ort müssen das mit Fingerspitzengefühl bewerten.“ (HR) Dieses „Fingerspitzengefühl“ der Polizei kenne ich von genug Demos und die Polizei ist nicht dafür bekannt, bei Fußballfans sensibler zu agieren. Also besser in Zivil rumlaufen, falls man nicht in seinem Haus (oder im Knast) eingesperrt sein möchte. Und achtet um Himmelswillen auf euer Verhalten!
Eine Spitzenidee jagt die Nächste: „Ob die S-Bahnen nach Darmstadt dann aber überhaupt fahren, ist zweifelhaft.“ Gut dass es keine nicht-Fußballfans gibt, die eventuell zwischen Frankfurt und Darmstadt irgendwo hin wollen. Es soll sogar SVD-Fans geben, die nicht in Darmstadt wohnen. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist es doch eigentlich nur fair, wenn die auch nicht ins Stadion kommen 😉
Generell bin ich der Meinung, dass AV rechtswidrig ist. Zu pauschal, zu unbestimmt definiert, wer überhaupt angesprochen ist und absolut nicht verhältnismäßig. Das sieht auch der Justiziar des HR so: „Die Sperrzone sei „nur rechtmäßig, wenn es verhältnismäßig ist“. Diese ist allerdings nur dann gegeben, „wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Bürger besteht“. Die Sperrzone sei „das letzte Mittel, um Ausschreitungen zu vermeiden“. Auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach unterstützt diese Einschätzung, bei der es um ein Aufenthaltsverbot für Fans des 1 FC Nürnberg in Fürth ging. Darüber hinaus wurden persönliche Verbote gegen 27 (angebliche) Rädelsführer ausgesprochen. Wenn man also die Gewalttäter offenbar kennt, warum dann ein Generalverdacht? Der Fanclubverband von Eintracht Frankfurt hat laut dem Darmstädter Echo bereits angekündigt, gegen die AV vorzugehen.
#D98SGE kollektives #Stadtverbot pauschal für „Anhänger“ der #SGE scheint nach §§37,44 VwVfG deutlich zu unbestimmt pic.twitter.com/UgWEr5GBWG
— Dr. Andreas Hüttl (@Dr_Huettl) 26. April 2016
Außerdem befürchte ich, dass diese Entscheidung erst recht zur Eskalation beiträgt. Viele (friedliche) Fans werden eher abgeschreckt, und die, die dennoch kommen, werden massiver Repression ausgesetzt werden. Das dabei jemand überreagiert ist wesentlich wahrscheinlicher, als wenn man so etwas nicht abzieht. Außerdem werden sich viele denken: „Jetzt erst recht“. Im Stadion hätte man die Fans wenigstens unter Kontrolle und würde gar nicht erst in der aktuellen Situation stecken, aber das nur am Rande. Ich befürchte, dass man durch die AV erst die Situation schafft, die man verhindern wollte. Dann kann man stolz sagen: „Stellt euch mal vor, wir hätten nichts unternommen“. Sollte nichts passieren, kann man immer noch behaupten, es läge an der Maßnahme. Das dabei die Grundrechte vieler Menschen mit Füßen getreten werden, stört einige Politiker (und die Polizei schon mal gar nicht) schon länger nicht mehr. So gut wie jede verfickte Nazidemo kann stattfinden, vor Flüchtlingsheimen und was weiß ich noch – aber auf Kosten von Fußballfans kann man sich scheinbar leicht profilieren.
Nazis mit Fackeln dürfen Hitlers Geburtstag feiern. Aber wehe, du hast das falsche Fußballtrikot an. #D98SGE
— Bert (@JNGWN) 26. April 2016
Anschließend noch kurz etwas zu den Berichten, die ich heute zu dem Thema gelesen habe. In allen wird von den „Ausschreitungen“ im Hinspiel geredet, teilweise sogar von „Auseinandersetzungen mit der Polizei“. Doch was ist im Endeffekt großartig passiert? Es wurde (auf beiden Seiten!) Pyrotechnik abgebrannt und im Frankfurter Block zusätzlich einige Fanutensilien von Darmstadt angezündet. Nach dem Spiel sind um die 10 Anhänger in den Innenraum gelangt, wo sie mit den Spielern diskutierten. Die Polizei bildete daraufhin eine Kette auf Höhe der Mittellinie, musste aber nicht eingreifen. Die Leute, die in den Innenraum gelangten wurden später von den eigenen Leuten „zurechtgewiesen“. Ich will die Vorfälle gar nicht verteidigen und finde sie (bis vllt. auf die Pyrotechnik, aber das ist nochmal ein eigenes Thema) echt scheiße und total unnötig.
Generell finde ich es absolut scheiße, sich wegen Fußball auf die Schnauze zu hauen. Ok, eine gewisse Fanrivalität ist spaßig und gehört dazu – aber nur verbal. Und damit meine ich keine „Mordaufrufe“, egal wie unernst sie am Ende gemeint sind. Es haben sich im Nachhinein auch viele andere Fans davon Distanziert. Wo jetzt aber die herbeigeschriebenen „Ausschreitungen“ stattgefunden haben sollen – ich weiß es nicht. Beim Echo gibt es darüber hinaus noch eine Umfrage, deren Antwortoptionen einfach nur schlecht sind. Die Frage lautet: Ein Aufenthaltsverbot für Eintracht-Fans: Richtig oder falsch?
Dumm nur, dass es die Option falsch gar nicht gibt. Zur Auswahl stehen nur „Richtige Entscheidung„, „Das wird auch nicht helfen“ und „Das ist mir echt egal„. Wenn man von letzterer Option absieht hat man also nur die Möglichkeit, die AV gutzuheißen oder ihr die „Fähigkeit“ absprechen, die befürchtete Randale zu verhindern. Dass es ohne eine solche AV friedlich bleiben könnte, kann sich das Echo also nicht vorstellen.
Die Aussagen in dem Video dort sind übrigens auch der Knaller. So sagt der Einsatzleiter der Polizei sinngemäß: „Wir haben Erkenntnisse aus der Fanszene, dass dort wohl die Absicht besteht, zu irgendeiner Zeit, die wir nicht näher definieren können, nach Darmstadt zu kommen. Genauere und detailiertere Einzelheiten kennen wir derzeit nicht.“ Man merkt es schon, hier herrscht der volle Durchblick. Aber um eine ganze Stadt für Fans einer Mannschaft zu sperren reicht es wohl. Auch die Aussage, bezüglich Ben-Hatira ist einfach lächerlich: „Dass ein Spieler der Eintracht von Krieg spricht, ist alles andere als hilfreich.“ Ben-Hatira hatte nach dem Spiel gegen Mainz in Bezug auf das kommende Spiel gesagt: „Das wird kein Spaßspiel, das wird ein Krieg, und darauf freuen wir uns.“ . Mittlerweile hat er sich übrigens auf Facebook für den Satz entschuldigt. Aber dass solch ein Satz vor einem Derby überhaupt Thema ist. Selbst Randale und eine Gefahr für die Sicherheit der unbescholtenen Bürger an die Wand malen, aber wegen solch einem Zitat rummachen. Plz stop the mimimi!
Rafael Reißer ist auch der Brüller. „Es ist einfach Schade, dass die Frankfurter Fußballfans jetzt nicht kommen können, daran müssen wir uns jetzt halten.“ Nein verdammt, ihr seid mit Schuld. Wer hat sich den Scheiß denn ausgedacht? Und weiter: „Es gibt keine Chance das Spiel zu sehen für die Frankfurter Fans.“ Ach, das letzte mal als ich da war, hatten wir schon noch Kneipen mit Fernsehern. Und genau da könnt ihr mich am Samstag auch finden. Jetzt erst Recht!
Ah, und nun hab ich mich genug aufgeregt für heute. Ich schließe mit einem Zitat des Block1898:
Es ist kein Derby ohne Gäste!