Jeiles Leben
Wie kommt es eigentlich, dass Lieder abgefeiert (im wahrsten Sinne) werden, nur weil sie nen geilen Beat haben? Ok, natürlich ist das bei so Festen die Voraussetzung für Musik, die beim Publikum ankommt. Und natürlich bekannt muss sie sein. Aber wirklich interessant finde ich, dass dabei die Lyrics scheinbar einfach ausgeblendet werden bzw. nur die Stellen “herausgepickt“ werden, die das fröhliche Treiben nicht stören. Aaah… Kontext, Leute, Kontext!
So Leute, geiles Leben
Diese Ansage eines DJs, vorgetragen im unmotiviertesten Tonfall eines routinierten, 10 Charly intus habenden Bespaßers, kombiniert mit einem Blick der so aussah, als wüsste er um die Ironie seines Gesabbels, hat mich erst darauf gebracht, wie unpassend das doch ist.
Dabei geht es in dem Lied „Geiles Leben“ von Glasperlenspiel doch eigentlich genau um das Gegenteil von stumpfer Feierei. Ok, der Beat ist durchaus tanzbar und macht Laune, aber dadurch – in Kombination mit den Lyrics – entsteht die Ironie des Lieds. Im Text geht es darum, dass sich der/die Protagnoist_in von einem Freund oder Partner „trennt“, da die Lebensentwürfe einfach nicht mehr zusammen passen. Konkret kritisiert wird, dass die andere Person nur noch an Champagnerfeten, Geld, dicken Villen etc. interessiert ist. Verantwortung und Zuverlässigkeit bleiben dabei offensichtlich auf der Strecke. Und das wiederum ist kein Lebensmodell für den/die Protagonist_in und es deshalb zum Bruch kommt:
„Ich wünsch‘ dir noch ’n geiles Leben
Ab jetzt wird es mir besser gehen
Vergiss den fame, all die Villen und die Sonnenbrillen
Ich fühl‘ jetzt ganz genau, dass ich das zu meinem Glück nicht brauch‘
[…]dass die Zeit reif ist, um jetzt zu gehen!“
Die Sängerin hat das Lied in einem Interview übrigens so beschrieben: „Es geht um eine Person, die sich der Party verschreibt und den Drogen, den unwichtigen Dingen des Lebens und sich dadurch verändert. Wir singen darüber, dass wir diese Person nicht wiedererkennen und hoffen, dass sie doch nochmal zurück findet.“
Und deshalb ist dieses Lied auf einem Volksfest, bei dem es für die meisten Besucher nur ums Saufen und Feiern geht, irgendwie deplatziert. Versteht mich nicht falsch, ich habe absolut nichts gegen saufen und’s feiern, aber irgendwie finde ich es echt interessant, wie man die eigentliche Intention des Lieds so ausblenden kann und nur noch geiles Leben und Champagner hört. Wobei, eigentlich müsste man die Kritik an die DJs richten, denn natürlich würde niemand aufhören zu tanzen, nur weil die Lyrics eigentlich nicht ganz so happy sind. Für die DJs wird es allerdings auch egal sein, ist das Lied doch in den Charts, dadurch bekannt und es kommt gut an. Im Endeffekt zeigt die Geschichte (und das betrifft ja bei weitem nicht nur diesen Song, eine ähnlicher Fall wäre meiner Meinung nach „Die, die immer lacht“), dass Musik viel zu Häufig nur der reinen Bespaßung dient und die „Kunst“ (im Bezug auf die Lyrics) keine Rolle spielt.
Persönlich kann ich das echt nur schwer nachvollziehen, macht für mich der Text doch bestimmt 50 % davon aus, ob ich das Lied geil finde oder eben nicht. Nicht immer muss der Text innovativ, deep oder spannend sein, wenn die Musik geil ist. Das ist ok – aber genauso ist es auch andersrum: Ein guter Text kann viel wettmachen. Und ein schlechter Text kann ein Lied total zerstören, ganz egal wie geil die Musik ist!
- Veröffentlicht in Blog